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Ruth Hamm-Schärer

Berner Grossrätin SP 1974 – 1984

«Eine Frau, die sich heute in die Politik vorwagt, gerät unter Anpassungszwang: Fügt sie sich nicht den Regeln der herkömmlichen Politik, versucht sie, in ihrer Art, natürlich und spontan, Frauenanliegen zu vertreten, wird sie belächelt, getröstet und erhält Komplimente für «Figürli, Frisürli und Kleidli» und geht unter. Passt sich aber da eine vorerst der Männerlogik an und beginnt hart und «uncharmant» zu argumentieren, ist sie angeblich «keine Frau mehr» und wird deshalb abgelehnt.»

Oktober 1979, Emanzipation, Bd. 5, Heft 8, S.3
 

Ruth Hamm-Schärer, Berner Grossrätin SP von 1974 bis 1984. Foto: privater Nachlass.

Ruth Hamm-Schärer (*1943) wird 1971 in den Gemeinderat von Bolligen gewählt. Als Präsidentin der SP-Frauen kandidiert sie 1974 für den bernischen Grossen Rat und gewinnt diese Wahl. Sie nimmt in der Justizkommission und in diversen vorberatenden Kommissionen betreffend des Schul- und Bildungswesens Einsitz.

Ruth Hamm fordert im Grossen Rat eine obere Grenze der Anzahl Kinder in Schulklassen, Fahrdienste für Kinder mit einem weiten Schulweg und die Einführung fakultativer Kindergärten in allen Gemeinden. Die Lehrerin wirbt für die Einführung von Tagesschulen und unentgeltliche Hausaufgabenhilfen. Ruth Hamm setzt sich dafür ein, dass die Angestellten von Gefängnissen bessere Arbeitsbedingungen erhalten und Häftlinge gut versichert werden.

Durch die Medien erfährt Ruth Hamm vom Tod einer jungen Frau im Frauengefängnis Hindelbank. Vieles deutet darauf hin, dass es sich bei der Todesursache um einen medizinischen Fehler handelt. Ruth Hamm trägt den Fall an die Öffentlichkeit. 1988, zwölf Jahre nach dem Tod der jungen Frau, deckt eine medizinische Dissertation den anonymen Fall 30 auf. Die Frau ist an verstopften Atemwegen erstickt, welche durch eine falsche Behandlung verursacht worden ist.

Aufgrund des Todesfalls der jungen Frau startet Ruth Hamm eine Petition für bessere Rechte von Gefangenen. Wegen der Petition, ihrem Engagement für Menschen in Gefangenschaft und weil sie den Todesfall von Hindelbank aufrollt, steht sie im medialen Rampenlicht und erhält Drohbriefe.

1967 heiratet Ruth Hamm und wird Mutter von zwei Kindern. Nachdem ihr Ehemann sie verlassen hat, zieht sie ihre Kinder alleine auf. Vorübergehend zieht sie mit den beiden Töchtern in eine Wohngemeinschaft in Bern, wo sie Schutz vor den Bedrohungen findet.

Ruth Hamm wächst in Ittigen in einer Fabrikarbeiterfamilie auf. Am Küchentisch wird viel über Politik gesprochen. Sie absolviert eine höhere Schulbildung und vertritt als Lehrerin die Interessen der Arbeitenden. Ihr Umfeld motiviert sie deshalb zur Kandidatur als Gemeinde- und Grossrätin. Bis 1984 bleibt sie im Amt als Grossrätin und unterrichtet daneben als Lehrerin in Bolligen und Bern West.
 

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