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15. Dezember 2021
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Medienmitteilung ; Staatskanzlei
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50 Jahre Frauenstimmrecht - ein demokratischer Meilenstein

Es war ein historischer Moment für die Demokratie: Am 12. Dezember 1971 sagten die Berner Stimmbürger deutlich Ja zur Einführung des Frauenstimmrechts im Kanton Bern. Künftig erinnern verschiedene Stationen im Rathaus an diesen wichtigen Meilenstein der Demokratie und an die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Gemeinsam mit bernischen Politikerinnen der ersten Stunde hat der Kanton Bern heute Mittwoch (15.12.2021) das Jubiläum im Rathaus Bern gefeiert.

«Die erste Schweizerische Bundesverfassung von 1848 war ein demokratischer, liberaler Leuchtturm mitten in Europa. Mit einem Haken: Die Frauen blieben aussen vor.» So eröffnete Regierungspräsidentin Beatrice Simon die Jubiläumsfeier zu 50 Jahren kantonalem Frauenstimmrecht. Grossratspräsident Hervé Gullotti unterstrich, dass die mit der Gleichstellung verbundene Vielfalt «die entscheidende Zutat für eine Demokratie ist, die nicht nur ausgewogen, sondern auch legitim und damit stärker und gerechter ist». Bundesrätin Simonetta Sommaruga schliesslich drückte ihre Wertschätzung gegenüber den geehrten Politikerinnen aus, die sich für die Chancengleichheit von Frauen und Männern im Kanton Bern eingesetzt haben: «Wir würdigen heute die ersten zehn Grossrätinnen, wir würdigen die erste Regierungsrätin im Kanton Bern, Leni Robert. Sie hat mich immer tief beeindruckt. Leni Robert hat sich exponiert, sie ist hin gestanden und hat die Dinge auf den Punkt gebracht – und zwar auch dann, wenn sie nicht sicher sein konnte, dass sie gewinnt.»

Zeitzeuginnen blicken zurück, junge Frauen in die Zukunft

Drei der ersten Grossrätinnen – Ruth Hamm, Marion Kretz und Claire-Lise Renggli – führten die Teilnehmenden des Jubiläumsanlasses zurück in die Zeit, als sich Frauen in der Politik ihren Platz erkämpfen mussten. Als Präsidentin der Gosteli-Stiftung würdigte Nationalrätin Kathrin Bertschy das Engagement von Frauenorganisationen für das Frauenstimmrecht. Und in die Zukunft blickten politisch engagierte junge Frauen mit ihren Gedanken zu Gleichstellung und Demokratie. Aufgrund der epidemiologischen Lage wurde die Feier ohne Publikum durchgeführt. Sie konnte aber via Livestream verfolgt werden und wird unter https://youtu.be/G3f2CnMZhQU weiterhin abrufbar sein.

Der Weg zum Frauenstimmrecht wird Teil des Rathauses

Künftig ist das kantonale Frauenstimmrecht als Meilenstein der Demokratie und der Gleichstellung der Geschlechter im Zentrum des Rathauses an verschiedenen Orten sichtbar. Eine Gravur auf der Treppe zur Wandelhalle macht auf dessen Einführung am 12. Dezember 1971 aufmerksam. Die von der Keramikkünstlerin Rita de Nigris gestaltete Gedenktafel erinnert an den Einzug der Frauen in die bernische Politik. Ein QR-Code bei der Tafel führt auf die Geschichte des kantonalen Frauenstimmrechts, zu den Biografien der ersten Politikerinnen im Kanton Bern und zu den Videos mit einzelnen Pionierinnen. Die zehn ersten Grossrätinnen und die erste Regierungsrätin, Leni Robert, werden im Ratssaal geehrt: Ihre damaligen Sitzplätze erhalten ihre Namen. Die Stationen auf dem Weg zur politischen Gleichberechtigung lassen sich künftig auch bei Führungen im Rathaus entdecken.

Der Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern geht weiter

Der Rückblick auf den Meilenstein Frauenstimmrecht zeigt die Entwicklung auf, die seither stattgefunden hat. Heute liegt der Frauenanteil im Grossen Rat bei 36 Prozent. Drei der sieben Regierungsmitglieder sind Frauen. Allerdings sind Gleichberechtigung, Gleichstellung und Demokratie zerbrechliche Prozesse, wie Grossratspräsident Hervé Gullotti hervorhob. «Sie sind wie Werke, die ständig neu angegangen und überarbeitet werden müssen.»

Der lange Weg zum kantonalen Frauenstimmrecht

Der Kampf für die gleichen politischen Rechte von Frau und Mann begann im Kanton Bern mit der Abschaffung des Stimmrechts von vermögenden Frauen im Jahr 1887. In der Folge begannen sich Bernerinnen in Verbänden zu organisieren. Sie hofften, dass ihnen das Stimmrecht auf kantonaler und Bundesebene zugesprochen werde, wenn sie sich erst einmal auf Gemeindeebene bewiesen hätten. Nach verschiedenen Petitionen, politischen Vorstössen und einer Initiative wurde 1956 erstmals über das fakultative Frauenstimmrecht auf Gemeindeebene abgestimmt. Es wurde abgelehnt. 1968 befürworteten die Berner das fakultative kommunale Frauenstimmrecht. Während die Zustimmung im französischsprachigen Kantonsgebiet und den grösseren Städten schon länger gegeben war, blieb die Ablehnung in den deutschsprachigen Gemeinden auf dem Land weiterhin bestehen. Am 12. Dezember 1971, zehn Monate nach Annahme des eidgenössischen Frauenstimmrechts, war es schliesslich auch im Kanton Bern soweit: 83 Prozent der bernischen Stimmbürger sagten Ja zum kantonalen Frauenstimmrecht und 76 Prozent befürworteten die obligatorische Einführung des kommunalen Frauenstimmrechts.

Der Weg zum kantonalen Frauenstimm- und -wahlrecht

Die ersten Grossrätinnen und die erste Regierungsrätin

Am 5. Mai 1974 wurden von 183 Kandidatinnen zehn Frauen in den bernischen Grossen Rat gewählt. Diese waren:

  • Dr. Marie Boehlen, Fürsprecherin (SP, Bern)
  • Odette Bretscher-Bickel, Hausfrau und Amtsrichterin (FDP, Bremgarten)
  • Dr. Susanne Burke-Salvisberg, Ärztin (FDP, Thun)
  • Monika Etter, Ökonomin (CVP, Bern)
  • Ruth Geiser-Im Obersteg, Gemeinderätin (SVP, Bern)
  • Ruth Hamm-Schärer, Hausfrau und Sekundarlehrerin (SP, Bolligen)
  • Marion Kretz-Lenz, Redaktorin Radio Bern (SVP, Schlosswil)
  • Claire-Lise Renggli, ménagère (PRR, Bienne)
  • Dr. Agnes Sauser-Im Obersteg, Betriebswirtschafterin (SVP, Säriswil)
  • Hanna Schweizer-Ruchti, dipl. Bäuerin (SVP, Lohnstorf)

Quelle: Staatskalender Kanton Bern1974

Es dauerte weitere 12 Jahre, bis 1986 mit Leni Robert-Bächtold (Freie Liste) die erste Regierungsrätin 1986 in die bernische Exekutive einzog. Sie wurde Erziehungsdirektorin. Ihre politische Karriere begann Leni Robert als Stadträtin in Bern. 1977 rückte sie in den Grossrat nach. 1983 kandidierte sie mit der von ihr mitgegründeten Freien Liste erfolgreich für den Nationalrat. Als der Regierungsrat 1990 von neun auf sieben Personen reduziert wurde, gelang der ersten grünen Regierungsrätin der Schweiz die Wiederwahl nicht. Sie führte ihr politisches Engagement als Nationalrätin weiter.

Weitere Informationen zu den Pionierinnen in der bernischen Politik

Mediendokumentation

  • Ansprache: Beatrice Simon, Regierungsratspräsidentin
  • Ansprache Hervé Gullotti, Grossratspräsident
  • Grussbotschaft: Simonetta Sommaruga, Bundesrätin
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